Geistermonat
- Talartante
- 17. Aug. 2022
- 2 Min. Lesezeit
Am 26. Juli öffneten sich die Tore zur Hölle. Hungrige Geister - das sind Verstorbene, die in die Unterwelt geschickt wurden, um einen ewigen Hungerzustand für ihre Missetaten zu erleiden oder weil es keine angemessene Beerdigung gab.
Diese Geister durchstreifen nach taoistischen und buddhistischen Glauben seit Ende Juli, dem siebten Monats des Mondkalenders, für vier Wochen Taiwan auf der Suche nach Essen, Unterhaltung, Geld und möglicherweise auch Seelen.
In diesem Monat gibt es eine Menge zu beachten - und zu sehen.
Vor vielen Geschäften ist ein kleiner Altar aufgebaut, mit Opfergaben aus Nahrungsmitteln und Erfrischungen, Räucherstäbchen sollen die hungrigen Geister besänftigen.
Geister- oder Tempelgeld wird in der Mittagshitze verbrannt.
Enorm wichtig ist es, dass die Geister nicht Geister genannt werden (ich hoffe, sie verstehen kein Deutsch…), damit sie nicht beleidigt sind. Deswegen sprechen die meisten von den “guten Schwestern” oder “guten Brüdern” oder auch von den “buddybuddies”. Ganz schön verwirrend, wenn man nicht mit diesem Brauch bekannt ist.
Außer der richtigen Ansprache gibt es noch so einiges anderes zu beachten.
So sollte es vermieden werden zu pfeifen, zu singen, Fotos zu machen oder feuchte Wäsche zum Trocknen aufzuhängen. Vor allem nicht draußen und in der Dunkelheit - denn das zieht die Geister an, und man* möchte sie sich lieber vom Leib halten. Außerdem sollte man* (noch mehr als sonst) darauf achten, dass das Haar nicht zerzaust ist, denn sonst halten einen die Geister für eine*n von ihnen, die Opfergaben sollten außerdem nicht geklaut werden und auch an die Wand lehnen wird nicht empfohlen, denn da halten sich die Geister am liebsten auf, um sich etwas abzukühlen. Wer mit dem letzten Bus oder Zug fährt, muss damit rechnen, dass er*sie die “Geisterbahn” erwischt und auch am Strand, in den Bergen und beim Fischen stehen die Chancen auf Geistergesellschaft gut - beim Schwimmen ist besondere Vorsicht geboten: Die Wassergeister sind eventuell auf der Suche nach jemandem, der*die sie ersetzen könnte.
Unsere Nachbarin schwört außerdem auf Kuai Kuai. Kuai Kuai sind Snacks der gleichnamigen Firma, die in grünen, gelben und roten Tüten verkauft werden. Auf dem Tütendesign sind ein paar Zeilen frei gelassen - da wird der Name eines technischen Gerätes eingefügt, das die Kuai Kuai schützen soll. Ja, ihr habt richtig verstanden - Popcorn Flips schützen in Taiwan technische Geräte vor Geisterstörungen. Microsoft Taiwan und TSMC (grob gesagt die Computer-Chips-Fabrik) haben eine Sonderedition angefordert, um ihre Großrechner zu schützen. Die Kuai Kuai tauchen an allen möglichen Orten auf, in Ämtern, auf Geldautomaten, am Flughafen… und jetzt auch bei uns in der Wohnung. Sicher ist sicher.

Pünktlich zum Geistermonat hat auch die Zombie-Ausstellung im Kunstmuseum Tainan eröffnet. Ausgestellt sind die religiösen bis Pop-Kulturellen Vorstellungen von Hölle in Ostasien. Dabei weisen die Höllen-Darstellungen des Taoismus und des Buddhismus aus dieser Region verblüffende Ähnlichkeiten mit Dantes 9 Kreisen der Hölle auf. Der Hauptunterschied besteht wohl darin, dass die Seelen im Taoismus und ostasiatischen Buddhismus auf ihre Reinkarnation vorbereitet werden indem sie für ihre begangenen Sünden büßen.
Auch außerhalb der Hölle werden Geister angetroffen, deren Geschichten im Nachgang zu einschneidenden Ereignissen, wie Natur- oder politischen Katastrophen entstanden und die nach und nach Eingang in die japanische und taiwanische Popkultur gefunden haben.
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